Erkennungsmerkmale:
Die Pflanze sieht einer Brennessel ähnlich, jedoch besitzt sie weiße Blüten und hat keine Brennhaare.
Beschreibung: In 3 - 6 blattachselständigen Scheinquirlen stehen 6 - 16 schmutzig- bis gelblich-weiße Blüten, der 9 - 13 mm (selten bis 15 mm) lange grüne Kelch ist zerstreut behaart und weist am Grund (oft) einen violetten Fleck auf. Die Blütenkrone ist 2 - 2,5 cm (selten nur 1,8 cm) lang, die Blütenkronröhre ist entweder so lang wie der Kelch oder etwas länger, aufwärts gebogen und weist auf der Innenseite einen schrägen Haarring auf. Im
Schlund der Blüte findet man olivfarbene Flecken. Auf der ganzrandigen oder feinkerbigen Oberlippe der Blüte findet man mehr oder weniger abstehende Haare, sie ist 7 - 12 mm lang. Hingegen ist die verkehrt-herzförmige Unterlippe nur 5 mm lang. Auf den Seitenlappen findet man 2 - 3 Zähnchen. Die 4 Staubbeutel sind schwarz, bärtig behaart und tragen hellgelben Pollen. Aus den Blüten gehen in der Regel vier ca. 3 mm lange Teilfrüchte hervor, die ein großes, weißliches Elaiosom (fettreiches
Anhängsel welches von Ameisen verzehrt wird) besitzen. Der Stengel ist unten oft kahl und rot-violett überlaufen, abstehend behaart und vierkantig, ein Merkmal der Familie der Lippenblütengewächse. Die brennesselartigen, lang zugespitzten und scharf gekerbt-gesägten Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet, 2,5 - 12 cm lang, 1 - 5 cm breit, gestielt und länglich-eiförmig bis eiförmig. Die ganze Pflanze ist spärlich bis dicht behaart und bildet sowohl unter- als auch oberirdische (sich später
bewurzelnde) Ausläufer.
Standort: Die Weiße Taubnessel findet man in Unkrautbeständen an Wegen, an Mauern, Schuttplätzen, Bahndämmen und manchmal auch auf Ackerflächen.
Die Pflanze ist sehr häufig und liebt stickstoffhaltige Böden. Man kann sie bis in eine Höhe von 1.800 m ü. NN finden.
Verbreitung: In folgenden Gebieten ist die Pflanze
zu finden: Alpen, nördliches Alpenvorland, Süddeutsches Schichtstufenland, zentraleuropäische Mittelgebirgsschwelle, norddeutsches Flachland und Watten- und Marschküste der Nordsee sowie Insel- und Boddenküste Schleswig-Holsteins und Mecklenburgs. Die Taubnessel ist ein Archaeophyt (in vorgeschichtlicher und historischer Zeit bis 1500 eingewandert und eingebürgert).
Wissenswertes:
Die Taubnessel wird oft mit der Brennessel verwechselt, wie der Name jedoch bereits andeutet, fehlen ihr die Brennhaare und sie gehört außerdem in eine ganz andere Familie als die Brennessel. Der zweite deutsche Name "Bienensaug" deutet auf die Befruchtung durch Insekten hin.
Der Nektar wird durch den bereits erwähnten Haarkranz (sogenannte Saftdecke) geschützt. Meist erfolgt die Befruchtung durch Hummeln, bleibt diese aber aus, ist auch Selbstbestäubung möglich. Normalerweise wird diese durch den weit aus der Blüte herausragenden und somit von den Staubblättern weit entfernten Griffel verhindert. Um an den Nektar zu gelangen, benötigen die Insekten wegen des Blütenbaus somit einen langen Saugrüssel. Manche kurzrüssligen Hummeln beißen daher einfach die Blüte von
der Seite an, um an den Nektar zu gelangen. Auch für Menschen ist dieser Nektar erreichbar: Man zupft die Blüte ab und saugt an der Unterseite der Blütenröhre oder drückt mit der Hand an der Unterseite ein kleines Tröpfchen Nektar heraus. Der Artname "álbum" ist lateinischen Ursprungs und bedeutet "weiß", der Gattungsname "Lámium" ist ebenfalls lateinisch und steht für "Taubnessel". Die Ausbreitung der Samen erfolgt entweder autochor
(Ausbreitung durch eigene Kräfte der Pflanze, im Falle der weißen Taubnessel über die Ausläufer) oder stomatochor (Ausbreitung durch Nahrungseintrag von Ameisen). Die Ausbreitung über die Ameisen verdankt die Pflanze dem bereits erwähnten Elaiosom. Dieses Anhängsel des Samens ist fettreich und wird von dem Ameisen gefressen. Dazu tragen sie das Elaiosom mitsamt dem Samen in ihren Bau, knabbern es ab, und tragen den Samen wieder aus dem Bau heraus. Diese Methode nutzen viele andere Pflanzen
ebenfalls, unter anderem die Akazie und zahlreiche Wolfsmilchgewächse. Die Lebensform der weißen Taubnessel ist die eines Hemikryptophyten (bei diesen Staudenpflanzen liegen die Erneuerungsknospen, aus denen sie erneut austreiben können, dicht unter der Erdoberfläche). Somit ist diese Pflanze zu den Ausdauernden (überleben den Winter und blühen mehrmals in ihrem Leben) zu rechnen.
Die Weiße Taubnessel ist eine alte Heilpflanze und wurde früher bei entzündlichen Erkrankungen verwendet
(innerlich gegen Entzündungen der Atemwege, äußerlich in Form von Umschlägen bei oberflächlichen Entzündungen der Haut). Man verwendet sie in der Naturheilkunde noch heute zur Unterstützung bei Menstruationsstörungen (äußerliche und innerliche Anwendung) und unspezifischem weißem Ausfluß (Fluor albus, Behandlung durch Sitzbäder mit Taubnesselblüten aufgrund der adstringierenden Wirkung) aufgrund der enthaltenen Gerbstoffe, bei unterentwickelten jungen Mädchen auch als Gebärmuttertonikum.
Anwendungen: ·Tee: 1 g (ca. 2 Teelöffel) getrocknete Taubnesselblüten mit 150 ml kochendem Wasser übergießen, nach 5 Minuten abseihen. Drei mal täglich eine Tasse mit Honig gesüßten Tee trinken oder ungesüßt zum Gurgeln verwenden.
·Sitzbad: Für ein Sitzbad wird ein Auszug aus 5 g getrocknete Taubnesselblüten verwendet und dem Bad zugegeben.
·Umschläge: 50 g getrocknete Taubnesselblüten mit einem halben Liter kochendem Wasser übergießen und nach 5 Minuten abseihen. Den
frisch bereiteten, abgekühlten Auszug für Umschläge verwenden.
Risiken oder Nebenwirkungen sind bei bestimmungsgemäßem Gebrauch noch nicht bekannt geworden.
Die jungen Blätter und Triebe werden als Salat und Gemüse besonders in Schweden und Norddeutschland geschätzt. Die weichgekochten Wurzeln kann man als Salat verwenden. Außerdem gewann man aus dem Kraut früher einen gelben Farbstoff, dem man Zauberkräfte nachsagte. Mancherorts wird sie auch als Zierpflanze verwendet. Die
Sammelzeit für Teile der Pflanze erstreckt sich von April bis September.
Inhaltsstoffe: ·ca. 5 % Gerbstoff ·ätherisches Öl, Saponine, Cholin, Schleim, Lamiin (ein Alkaloid) ·Amine (Histamin, Methylamin, Tyramin) ·Flavonglykoside
(Sven Dienstbach) auf die jeweiligen Bilder klicken zum Vergrößern
|