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Es groa-schiwwerich Hinkelchje

I Eine Geschichte von Minna Eichhorn


In Rohnstadt, gegenüber von meinem Elternhaus, wohnte ein altes Mütterchen, ich glaube, sie war sehr einsam. Sie saß oft auf den Steinstufen vor ihrer Haustür und führte Selbstgespräche und wenn sie mich sah, dann rief sie: "Komm, Kend, e bißche bei mich!", dann zog sie den Sack, der als Unterlage diente, auseinander, damit ich nicht auf den Steinstufen zum Sitzen kam. Als Begrüßung gab sie mir meist zwei Zuckerklümpchen in die Hand und dann erzählte sie mir Geschichten.

Zwei Ziegen hatte sie im Stall und vier Hühner. Ich glaube, es war ihr ganzer Reichtum. Ja, die Hühner, drei waren ja nichts Besonderes. Eins war sicher einmal weiß, zwei waren scheinbar einmal schwarz, so ganz genau war die Farbe nicht mehr festzustellen. Sie waren ja auch immer auf dem Mist am Scharren. Doch ein Hühnchen, es war groa-schiwwerich, sein Gefieder war schön grau und weiß gesprenkelt. Ich glaube, es war der Mutter ihr Liebling und oft ging sie ins Haus und kam mit einem Stück Brot zurück. Dann kam das Hühnchen anmarschiert und hielt sein Köpfchen mal nach rechts, mal nach links, machte ein paar lange Schritte und schon saß es auf Mütterchens Schürze und pickte die weichen Krumen aus dem Brot. Wenn das die drei anderen sahen, kamen sie wohl auch. Aber sie bewahrten Abstand. Wenn die weichen Krumen alle verzehrt waren, dann machte das Mütterchen von der harten Kruste mit dem Küchenmesser kleine Bröckchen und das bekamen die anderen und dann gingen sie wieder auf ihren Mist, aber das groa-schiwweriche ging zum Sand, wo noch die Sonne hinschien und nahm ein Sandbad. Das war im Allgemeinen der Tagesablauf. Ich hab's gewußt, wenn das Hühnchen auf Mütterchens Schoß saß, war sie sehr glücklich. Sie strahlte übers ganze Gesicht und streichelte über die Federn. Nur was sie dann erzählte, konnte ich nicht verstehen. Das verstand wohl nur das Hühnchen. Es war für mich eine schöne Zeit, doch sie ging zu Ende, als eines Morgens in der Frühe das Mütterchen ganz laut in unserem Hof rief: "Wilhelm! Wilhelm! (das war mein Vater) Mein groa-schiwwerich Hinkelchje is nit mi doo! Vielleicht is es bei euch im Hinkelhaus. Auern ladische Gickel woar gestern werrer in unserm Hoop. Der hoats ohm End mitgelockt". Mein Vater zog den Scheller hoch und unsere Schar kam zum Vorschein mitsamt dem Gickel und landete wie gewöhnlich auf dem Mist, aber von Mütterchens Hinkelchen war nichts zu sehen. Da kam ihr der Verdacht, ob wohl am Tag zuvor vielleicht die Haare (Zigeuner) da waren. Um das zu erfahren, machte sie sich auf dem Weg ins Dorf. Die meisten Laute waren ja auf dem Feld und konnten keine Auskunft geben. Auf jeden Fall vergingen ein paar Tage in Ungewißheit. Das Mütterchen sah mich in unserem Hof, da rief sie: "Kend!" - ich glaube, sie wußte gar nicht, daß ich auch einen Namen hatte. Ich wußte, wer gemeint war, wenn sie "Kend" rief und sie hatte für mich einen Auftrag. Sie wollte für die Ziegen Futter holen und hatte Bedenken, daß in dieser Zeit vielleicht die Haare aufkreuzen. Ich sollte so was wie den Aufpasser spielen. So sehr begeistert war ich nicht. Meine Mutter hatte mir einen Ball genäht und ich wollte lieber an unserem Scheunentor spielen. "Komm nur, du kannst auch an unserer Stalltür spielen und wenn die Haare in ussern Hoop komme, kreischste ganz laut: ‚Babbe, laß de Lux eraus, die Haare komme'". Ich glaub, ich hab ganz schön dumm geguckt, denn mein Babbe war nit dehamm und wir hatten auch keinen Hund. Noch 2 - 3 mal habe ich mein Sprüchlein sagen müssen, so laut ich konnte und sie zockelte mit ihrem Handwagen los. Es kamen keine Haare und ich spielte mit meinem neuen Ball an der Stalltür. Nicht sehr lang, und der Ball flog nicht an die Stalltür, in der Ecke stand ein großes Faß, es war für Regenwasser gedacht und ausgerechnet landete mein Ball, mein schöner neuer Ball, im Wasserfaß. Da war guter Rat teuer. Alle Mühen waren umsonst, meine Arme waren zu kurz. Am Fenster rief meine Geth: "Woas mächst dou doo? Willst dou ins Faß falle?". Ich erzählte das Mißgeschick mit dem Ball und sie kam, um mir zu helfen. Aber auch ohne Erfolg. Sie sagte: "Geh e bißche off die Seit, eich will versuche, das Faß umzekippe!" Und das ging. Zuerst kam Dreckbrühe und mein Ball und die Geth hob das Faß noch einmal an. Da kam noch ein großer Schwall Brühe und ein dicker Gegenstand, auf den ersten Blick nicht zu erkennen, was es war. Ich schaute genau hin und sah, daß zwei Hühnerfüße aus dem Schlamm schauten und mein furchtbarer Schreck sagte mir, daß es Mütterchens verschwundener Liebling sein konnte. Da kam mein Großvater und meinte: "Wir lassen alles schnell verschwinden, daß Mütterchen es nicht sieht". Der gute Gedanke kam zu spät, sie stand schon im Hof und schrie: "Woas dout ihr mit meim Wasserfaß mache?" Und natürlich mußte sie nun die Wahrheit erfahren und sie weinte und schrie laut. Meine Geth nahm sie am Arm und führte sie ins Haus. Ich versteckte mich in eine kleine Ecke in der Scheune. Der Großvater holte einen Eimer, eine Schippe und einen Besen, nahm eine Hacke und ging auf den Berg und dort hat er meinen Ball und das groa-schiwwerich Hinkel unterm Kirschbaum beerdigt. Eine Geschichte aus meiner Kindheit, die ich nicht vergessen konnte. Ich habe in meinem langen Leben bestimmt 100 Hühner besessen, aber so ein schönes groa-schiwweriches war nie dabei.
 


(c) 2008 Heimat- und Geschichtsverein, 35789-Weilmünster-Langenbach