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Die Vorratswirtschaft

I Eine Geschichte von Minna Eichhorn


Vielleicht müßte ich ein Fragezeichen dahinter setzen, denn ich stelle mir vor, die jüngere Generation kann ja kaum mit der Bedeutung dieses Wortes etwas anfangen. Ich finde es gut, daß so manches, was in Vergessenheit geraten ist, doch noch mal in Erinnerung gebracht wird, bevor es für die nachfolgenden Generationen verlorengeht. Die Landbevölkerung war früher größtenteils auf die Erzeugnisse ihrer Ernte angewiesen, der größte Teil der Einwohner besaß eine kleine Landwirtschaft und das war nun doch die Lebensgrundlage. Was geerntet wurde, mußte fürs Jahr fürsorglich eingeteilt werden, denn große Einkäufe für Lebensmittel, wie es heute ist, konnte man sich aus finanziellen Gründen nicht leisten. Es gab so manches, was durch geschickte Haltbarmachung, wie sie von den Vorfahren überliefert war, als Vorrat diente.

Die Haupterntezeit von Obst und Gemüse war im Herbst und ich möchte nun mal im September beginnen, wie es damals in meinem Elternhaus war, als ich dort die Erntezeit erlebte, ich kann mich sehr gut erinnern, wie die oft sehr guten Erträge weiterverarbeitet wurden. Ich möchte nun beim Hoinkkochen beginnen. Es war Herbst und eine gute Obsternte stand nun bevor. Die Äste von Birn- und Apfelbäumen waren zum Teil mit Stützen versehen, weil sie sich unter ihrer schweren Last bedenklich beugten. Die Zwetschen waren reif, süß und saftig und gut für die Ernte. Für den nächsten Tag war nun das Hoinkkochen geplant. Etliche Körbe voll von dieser wunderbaren Frucht wurden gepflückt und nach Hause gebracht. Für den Abend waren nun Nachbarsfrauen und Bekannte eingeladen und gemeinsam ging's an die Arbeit und die Zwetschen wurden gekernt, es war nun mal so, daß man sich gegenseitig half. Der große Kessel war gerichtet und ein Teil wurde schon eingefüllt. Es war Tradition, wenn die Arbeit getan war, wurde der Tisch abgewaschen, die Hände gewaschen und ein großer Teller mit Brotscheiben und ein Teller mit Schnaps, in welchen die Brotscheiben eingetaucht wurden und dick mit Zucker bestreut, das wurde zum Abschluß gegessen. Wer es mochte, bekam noch ein paar Schnäpschen zum Nachtisch. Es waren ein paar junge Leute dabei, die noch einen Plan hatten, welches heimliche Liebespaar mit dem Streuen eines Pfädchens in die Öffentlichkeit kommen sollte. Am nächsten Morgen in der Frühe wurde Feuer unter den Kessel gemacht und eine mühselige Arbeit begann. Es mußte stundenlang ununterbrochen gerührt werden mit einem Hoinkrührer (Ein Hoinkrührer ist ein langer Stiel, an dem ein Holz befestigt ist, wie es sich an die Rundung des Kessels anpaßt) und dann immer hin und her und wieder mal rund immer fleißig auf dem Boden des Kessels bewegt, abwechselnd wurde diese Arbeit getan und manchmal kam auch mal eine Nachbarin zur Ablösung, für sie stand ja diese Arbeit auch noch bevor und sie konnte dann auch mit Hilfe rechnen. Ab und zu wurde eine Probe genommen, auf dem Tellerchen durfte sich kein großer Rand von Flüssigkeit mehr bilden und nun durfte der Zucker dazugegeben werden und immer fleißig weitergerührt, bis die Masse schön braun glänzend war und wenn dann die Probe auf dem Tellerchen keinen Rand hinterläßt, dann ist nun die Arbeit geschafft und was nun im Kessel zurückbleibt, das ist guter Hoink, der Lohn für einen Tag harte Arbeit. Er wurde noch heiß in Steintöpfe gefüllt, wenn er ausgekühlt war, wurden die Töpfe mit Papier zugebunden und zur Aufbewahrung auf die Kammer gebracht (die Kammer war ein kühler Raum über der Küche, der zur Unterbringung der Vorräte diente. Wir hatten nun so eine reiche Ernte, von einem Teil der Ernte wurden Zwetschenkuchen gebacken, beim Brotbacken gab's Zwetschenweck, das war Kuchen von Brotteig, dick mit Zwetschen belegt. Ein Teil wurde schön ausgelesen und getrocknet (Dörrobst). Weil ja nichts umkommen durfte, wurde eben noch mal Hoink gekocht, man konnte ja nicht wissen, ob es im nächsten Jahr wieder so eine reiche Ernte gab. Dieses Mal hatte nun der Hoink eine andere Zusammensetzung, also einen anderen Geschmack. Auf dem Dickwurzacker hatte die Mutter eine Reihe Zuckerrüben gesät, die wurden nun geerntet, schön saubergemacht, zerkleinert im Kessel mit Wasser weichgekocht und gekeltert und es war ein wunderbar zuckersüßer Saft, den wir zum Kochen der zweiten Mischung gut gebrauchen konnten. Am Bäckerstück am Wegrand hatten wir einen großen Birnbaum, es waren kleine, harte Früchte, nicht besonders gut zum Essen. Ein großer Korb Birnen und der größte Teil der Zwetschen, es waren auch noch ein paar Körbe voll, wurden gepflückt und am Abend wurden Birnen geschält, Zwetschen gekernt und am kommenden Tag wurde noch mal Hoink gekocht, ohne Zucker, der Zuckerrübensaft war ein guter Zuckerersatz und wir waren übers Jahr mit dem damals fast unentbehrlichen Hoink gut versorgt.

Zwischendurch war nun die Kartoffelernte und der Keller füllte sich nach und nach mit wunderschönen Kartoffeln, ein sehr guter Vorrat, nicht nur für uns, auch den Tieren stand ein Teil zu. Die abgeernteten Kartoffeläcker wurden nun vorbereitet und mit Korn besät, in der Hoffnung, daß wir im kommenden Jahr wieder das Korn für unser tägliches Brot ernten konnten. Das war nun der Kreislauf und das Wort, welches ich als Überschrift wählte, finde ich, ist ja doch nur eine nackte Darstellung, was es bedeutet, muß man, glaube ich, erlebt haben, denn die Naturverbundenheit ist doch größtenteils verlorengegangen. Das hat nur der Fortschritt gebracht und wir Alten finden, daß nicht alles gut ist. Aber dieses Thema möchte ich doch lieber fallenlassen.

Von der Kartoffelernte kamen wir nun zum Dickwurzacker. Einen Teil von den Blättern hatten wir schon nach und nach dem Vieh gefüttert und so war es keine große Mühe, die großen, schönen Rüben, die ja kaum Wurzeln hatten, zu ernten. Aber auf diesem Acker hatten wir auch das Gemüse, welches als Wintervorrat gedacht war, angepflanzt. Ein großer Wagen voll wunderschönen Kraut-, Wirsing- und Rotkrautköpfen konnten wir heimfahren. Die Holzfässer waren schon vorbereitet und standen im kleinen Keller, denn das Gemüse muß frisch verarbeitet werden. Rotkraut, ein paar schöne Kraut- und Wirsingköpfe wurden für Frischgemüse zur Seite gelegt, die lockeren Blätter vom Kraut kamen zum Wirsing, welcher für Sauergemüse gedacht war. Das Kraut wurde auf einem großen Hobel zu Sauerkraut geschnitten und in das Faß unter Zugabe von Salz (auf 50 kg 1½ Pfund Salz) und einer Schüssel Apfelscheiben von sauren Äpfeln (Boskop) ganz fest eingestampft, es muß im eigenen Saft gären, mit einem weißen Leinentuch zugedeckt, mit passenden Brettern und einem schweren Stein beschwert und am nächsten Tag stand meistens der Saft über den Brettern. Und nun muß noch das, was für Sauergemüse gedacht ist, vorbereitet werden. Hierzu kann man auch die äußeren grünen Blätter, die einwandfrei sind, verwerten. Den Rest von den Krautköpfen alles zerkleinert in so handgroße Fetzen, die dicken Rippen gespalten, und läßt sie aber dabei. Im Kessel macht man Wasser heiß und bringt nun das Gemüse, was man vorher gewaschen hat, in den Kessel, aber nicht kochen, nur so lange, bis sich die Rippen biegen lassen ohne zu brechen, dann herausnehmen, in Körben ablaufen lassen und kalt werden lassen. Am anderen Tag in das Faß fest mit Salz einstampfen (etwa 2 Pfund Salz), mit einem weißen Tuch bedecken, mit passenden Brettern und einem schweren Stein beschweren. Am anderen Tag die fehlende Flüssigkeit dazugießen, leichtgesalzenes Wasser muß über den Brettern stehen. Bei den zwei großen Holzfässern steht nun ein großer Steintopf und dessen Inhalt sind saure Bohnen. Frische Bohnen fein geschnippelt, abgebrüht, kalt werden lassen, 10 Pfund Bohnen mit ½ Pfund Salz, ½ Pfund Zucker mischen, einstampfen, Tuch drauf, Bretter und Stein zum Beschweren. Wenn Flüssigkeit fehlt, abgekochtes kaltes Wasser nachfüllen. Während der Gärzeit ungefähr sechs Wochen alles mit frischem Wasser abwaschen, fehlende Flüssigkeit nachfüllen, wieder gut zudecken und beschweren.

In dem Keller standen nun noch ein paar leere Korbflaschen, aber wir hatten ja die Apfelernte noch vor uns und die Sonnenstrahlen in der letzten Zeit hatten noch Wunder gewirkt. Die Apfelbäume trugen schwer an der Last. Wir konnten ein große Menge schöne, rotbackige Äpfel ernten. Die mit der Leiter zu erreichen waren, wurden gepflückt, die anderen wurden abgeschüttelt und als Fallobst zu Apfelwein gekeltert und zur Gärung in die Obstflaschen gefüllt. Die Äpfel, die zum Überwintern gedacht waren, wurden erst nachdem sie noch eine Zeit gelagert hatten, verlesen und in dem Keller auf Gerüsten für den Wintervorrat eingelagert. Den Ausschuß haben wir geschält und zu Dörrobst getrocknet. Ein Säckchen getrocknete Zwetschgen und ebenso viele Äpfel- und Birnenspalten war eine beliebte Beilage zu Mehlspeisen. Auf dem Speicher lagerte Kom für's Brot, etwas Weizen für Weißmehl, Körner fürs Vieh, was sie zusätzlich brauchten. Ein paar Hühner versorgten uns mit Eiern, die Kühe gaben uns Milch. Alles, was wir besaßen, war hart erarbeitet und wovon wir uns ernährten, mit dem wäre doch so mancher, der in dem heutigen Wohlstand lebt, nicht zufrieden. Wir lebten dankbar und glücklich und waren zufrieden mit dem, was wir ernten durften, denn für uns war es Geschenk Gottes und alles wurde mit Liebe und Fürsorge behandelt.
 

siehe auch: “Rezepte”


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